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Die Darstellung der LGBT-Community im serbischen Mediendiskurs

Protest vor der serbischen Botschaft
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Protest vor der serbischen Botschaft in London nach dem Verbot des Gay Pride Belgrad im Jahre 2009

Trotz des Bestehens formell proklamierter, allgemeingültiger Rechte, die in der Verfassung und den daraus abgeleiteten Gesetzen verankert sind, werden in der serbischen Gesellschaft Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Intersexuelle weiterhin diskriminiert und ungleich behandelt.

Die Medien stützen (und bewahren) die herrschende Gesellschaftsstruktur, und aus diesem Grund ist es notwendig, sie stets zu beobachten, da nur ein Monitoring der Medienrealität aufzeigen kann, ob es Ausgrenzungsstrategien im Hinblick auf die LGBTI-Community gibt – und falls ja, in welchen Formen der Realitätskonstruktion, Ghettoisierung und Stereotypisierung sie sich in den Medien vollziehen. Die politischen Formen der Darstellung der Geschlechteridentitäts können als Ausdruck von Machtverhältnissen einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit betrachtet werden. Somit ist die Stellung  von Schwulen, Lesben, Bisexuelle und Transsexuellen in der Gesellschaft im Mediendiskurs meist konstruiert und greift auf eine Darstellung des Anderen zurück, auf eine Art und Weise, die die vorherrschenden Gesellschaftsverhältnisse reflektiert. LGBTI werden in den vorherrschenden Ideologien und den sie stützenden Medienpraxen in der Regel als zweitrangig, unerwünscht und wertlos dargestellt.

Die Auswertung des serbischen Kontextes zeigt, dass Homosexuelle, Lesben, Bisexuelle und Transsexuelle trotz des Bestehens formell proklamierter, allgemeingültiger Rechte, die in der Verfassung und den daraus abgeleiteten Gesetzen verankert sind, in der serbischen Gesellschaft weiterhin diskriminiert und ungleich behandelt werden. Der mangelnde politische Wille im Hinblick auf die Förderung und Verwirklichung der Rechte der LGBTI-Community spiegelt sich deutlich in deren Versuchen wieder, einen Gay Pride zu organisieren und den daraus resultierenden Verboten, sowie der damit einhergehenden Gewalt. Und das, obwohl die Parade einen politischen Akt friedlicher Versammlung darstellt. Der auf die benachteiligte gesellschaftliche Stellung dieser Bevölkerungsgruppe hinweisen will und als solcher zu den Grundsäulen einer funktionierenden Demokratie gehört.

Serbien hat als letzter Staat auf dem Balkan erst im Jahr 2009 das Antidiskriminierungsgesetz erlassen. Es  war der erste Rechtsakt, der eindeutig die Rechte der sexuellen Minderheiten bestätigt. Der serbische Ärzteverband hat erst am 14. Mai 2008 endlich bejaht, dass Homosexualität nicht als  Krankheit zu behandeln sei - ganze achtzehn Jahre nach dem WHO-Entscheid, Homosexualität von der Liste der psychischen und Verhaltensstörungen  (ICD-10) zu streichen. In Serbien gibt es insgesamt sechs Gesetze, in denen explizit das Recht auf sexuelle Orientierung untermauert wird: Das Informationsfreiheitsgesetz, das Rundfunkgesetz, das Arbeitsgesetz, das Hochschulgesetz, das Antidiskriminierungsgesetz und das Jugendschutzgesetz. Obwohl ein gesetzlicher Rahmen zum Schutz der Menschenrechte besteht, war der Staat im Hinblick auf die Verbesserung der sozialen Stellung von LGTBI-Personen bislang nicht besonders effektiv. Die Förderung der Rechte dieser Bevölkerungsgruppe setzt eine umfassende gesellschaftliche und institutionelle Mobilisierung voraus, einschließlich der medialen Dimension als einem der wichtigsten Elemente im öffentlichen Meinungsbildungsprozeß.

Fortschritte und alte Vorurteile

Die LGBTI-Community wurde viele Jahre kontinuierlich aus dem Programm der Mainstream-Medien gestrichen. Obwohl die serbischen Medien heute vielleicht mehr denn je einen komplexen und mehrdeutigen Blick auf Fragen zu Geschlecht und Sexualität werfen, zeigt sich bei der Darstellung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen dass gerade diese Minderheiten nach wie vor nicht genug Raum in den Printmedien und in den und elektronischen Medien bekommen. Dass sie auftauchen und zum Thema werden geschieht eher sporadisch. Nach einem festgesetzten Schema werden immer alle anderen eingeladen, um über gleichgeschlechtlich orientierte Personen zu sprechen (bzw. sie zu befürworten, sie anzuklagen  oder zu diskriminieren), statt diese Menschen selbst, so dass bislang nur eine unbedeutend kleine Anzahl von LGTBI-Aktivist_innen, Organisationen und/oder Mitgliedern der Community im Medienprogramm aufgetaucht ist.

Dennoch ändert sich die Situation nach und nach und Organisationen wie Queeria, die serbische Gay-Straight Alliance, Labris und das Schwul-Lesbische Info-Zentrum sind  so häufig wie nie in den Medien vertreten. Allerdings waren lesbische und schwulen Themen lange Zeit fast nur im Rahmen der Unterhaltungsprogramme zu finden.

Das Verhältnis der serbischen Gesellschaft zur LGTBI-Community ist eine politische Frage - eine der wichtigsten für Serbien im seinem Transformations- und Demokratisierungsprozess. Serbien ist trotz seiner formellen und eher dekorativen Anstrengungen immer noch weit entfernt von einer modernen Gesellschaft, die Minderheiten Raum gibt, Diversity-Programme fördert und Minderheiten respektvoll behandelt. Die LGTB-Community ist immer noch vielfach Hassreden ausgesetzt.

Die Terminologie, derer sich hierbei bedient wird, ist häufig beleidigend und diskriminierend, wobei das Fernsehen und die Printmedien entgegen den Bestimmungen des Rundfunkgesetzes Hassreden gegen alle Menschen ausstrahlen, die eine andere sexuelle Orientierung haben als die heterosexuelle. Das Ausbleiben von Sanktionen oder Relativierungen von Hassreden im öffentlichen Diskurs bedingt die Ausbreitung einer Atmosphäre der Intoleranz und der Lynchjustiz gegenüber Mitgliedern der schwulen Community und bietet all jenen einen Anreiz, die tagtäglich Hassrede betreiben und Gewalt gegenüber verschiedenen Minderheiten rechtfertigen.[1]

Medienmacher müssen sensibilisiert werden

Die Analyse der Medieninhalte zeigt ein periodisches Auftauchen von homophoben, patriarchalischer Mustern in der neuen/alten Medienlandschaft im sozialen Kontext der Angst vor Andersartigem und vor Diversität. Eine diskriminierende und (ab)wertende Wortwahl findet in in den Print- und elektronischen Medien nach wie vor Verwendung, wenn auch nicht häufig. Das Benutzen dieser Terminologie intensiviert sich in der Vorbereitungszeit und der öffentlichen Ankündigung des Gay Pride, meist in den Kolumnen oder Leserkommentaren (d.h. in Boulevardzeitungen wie Kurir, Alo, usw.), die als Autorentexte veröffentlicht werden. Eine besonders sexistische Terminologie, meist das Wort ‚Schwuchtel’, wird in den Tageszeitungen Kurir, Alo und Press verwendet. Es ist wichtig, dass die Produzent_innen von Medieninhalten sich ihrer Verantwortung im Hinblick auf die öffentlich verwendete Sprache und ihren Einfluss auf die Gesellschaft bewusst werden. Außerdem sollten sie bedenken, dass es gemäß dem ethischen journalistischen Kodex ihre Pflicht ist, nicht nur über Minderheiten zu berichten und ihnen medialen Raum zu geben, sondern auch sorgfältig über die Themen zu schreiben, die für die LGBT-Community relevant sind. Sie sollten stets im Hinterkopf behalten, welche soziale Stellung diese Menschen in der serbischen Gesellschaft einnehmen und welche negativen Vorurteile als dominiertende Wertemuster in der öffentlichen Sphäre fortbestehen.

Medieninhalte müssen als Texte betrachtet werden, durch deren Analyse wir verschiedene Schichten gesellschaftlicher Bedeutung sichtbar machen können, welchen wir wiederum eine soziale Dimension geben, indem wir die externen sozialen Bedingungen analysieren, aus denen sie entstanden sind. Deshalb ist es unabdingbar, sich ständig von der Medienpraxis kritisch zu distanzieren und sie aus der Ferne zu betrachten, da die Wirklichkeit, in der wir uns bewegen und die Bedeutungen, die wir Dingen geben, nur vorübergehender Natur ist. Die dominanten öffentlichen und medialen Diskurse in Serbien befördern immer wieder aufs Neue den Widerstand gegen Modernisierung und homophobe Diskurse.

 

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Jelena Višnjic ist Soziologin und Politologin aus Belgrad

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[1]So hat, zum Beispiel Dragan Markovic Palma (Politiker und Unternehmer aus Jagodina, zur Zeit Mitglied der serbischen Nationalversammlung, Anmerk.d.Ü.), gegenüber den Medien geäußert, dass er „stolz sei, vom Gericht verurteilt geworden zu sein und damit seinen Beitrag damit geleistet habe, dass die ‚Parade der Schande‘ in Belgrad nicht abgehalten werde“, nachdem er vom Ersten Amtsgericht in Belgrad für eine besonders schwere Form der Diskriminierung von LGBT-Community für schuldig befunden wurde und die Auflage erhalten hatte, solche Handlungen in Zukunft zu unterlassen. Und obwohl der Metropolit (Oberbischof, Anmerk.d.Ü.) der Serbischen Orthodoxen Kirche, Amfilohije Radovic sich entgegen der Aufforderung der Gleichstellungsbeauftragten Nevena Petrusic nicht bei der Community für seine Formulierung „sodomscher Gestank“ entschuldigt hat, wurde er nie wegen Hassrede gegenüber den die Teilnehmer_innen des Gay Pride im Jahr 2010 angeklagt.